Formursache als Ordnungsprinzip

Der Hylemorphismus des Hl. Thomas v. Aquin als Problemlöser des Dualismus zwischen Geist und Materie.

Gegenstand der Philosophie des Geistes ist die Frage nach der Beziehung zwischen Geist und Gehirn, bzw, Geist und Körper. Das Verhältnis zwischen etwas Immateriellem (Geist/Bewusstsein) und etwas Materiellem (Gehirn/Körper) ist nicht durch eine kausale Beziehung im Sinne der effizienten Kausalität erklärbar. Der Hylemorphismus vertritt als Lösung einen kausalen Pluralismus, womit die Auffassung gemeint ist, dass es verschiedene Arten von Kausalität gibt auf der Grundlage der Erkenntnis, dass zum Verständnis der Relation von Geist und Gehirn die zeitgenössische Antwort der Wirkursache nicht weiterhilft.

Der Hylemorphismus geht auf Aristoteles und Thomas von Aquin zurück und stellt die Behauptung auf, dass die Beziehung zwischen Geist und Gehirn erst durch die Formursache (causa formalis) verständlich wird. Es ist die Formursache, die bestimmt, was etwas ist; sie ist keine Wirkursache, die etwas äußerlich an einem Gegenstand verändert, sondern die Formursache ist in jeder Entität das Bestimmende. Die Formursache ist so etwas, wie das Struktur- oder besser „Ordnungsprinzip“ einer Entität und selbst nichts Materielles, denn die Ordnung einer materiellen Konfiguration ist nicht selbst ein materielles Element dieser Konfiguration.

Ein Beispiel: Die Anordnung der Elemente einer Zelle - die Ordnung selbst - ist stets auf eine bestimmte Funktion, einen Zweck, ausgerichtet und diese Ordnung, diese Struktur kann nicht selbst ein Element dieser Zelle sein, so wie beispielsweise die Organellen, die Mitochondrien, der Zellkern, die Doppelhelix usw.. Dass diese Elemente in einer bestimmten Weise sinnvoll zusammenwirken und dabei eine bestimmte Funktion in einem Organismus erfüllen, erfordert ein eigenes Prinzip, eine eigene Ursache und diese Ursache ist die Formursache.

Die Formursache determiniert die Materie in der Weise, dass beides zusammen eine echte, lebendige Einheit bildet - dies jedoch ist nicht möglich, ohne dass einer der beiden Teile - Form und Materie - rein potenziell ist und somit bestimmbar, während der andere Teil aktual ist und daher bestimmend.

Leider hat man in der Philosophie in den letzten etwa 500 Jahren alles ignoriert, was auch nur entfernt an Form- oder Zielursache erinnern könnte. So wird auch in dieser Frage der Hylemorphismus im günstigsten Fall mit einem freundlichen Lächeln bedacht - allerdings ohne jedwede Argumentation dagegen, was näherhin auf einen ideologischen, als auf einen wissenschaftlichen Umgang in der Sache schliessen lässt.

Es wäre daher schon ein großer Fortschritt in der Forschung der Philosophie des Geistes, wenn der hylemorphistische Ansatz ernsthaft in die Debatte über das Verhältnis von Geist und Gehirn mit einbezogen würde, denn immerhin ist die Theorie des Hylemorphismus die bislang einzige, die eine gleichermaßen lückenlose und bis dato widerspruchsfreie Erklärung hierzu bietet.

Zum Einstieg in das Thema existiert im deutschen Sprachraum eine gut lesbare Einführung der Editiones Scholasticae, die sich mit dem Thema auseinandersetzt unter Berücksichtigung der aktuellen philosophischen Strömungen, unter dem Titel „Grundkurs Philosophie IV - Das Leib-Seele-Problem“ - Zitat aus dem Klappentext des Buches:

„Das Geistige ist immateriell und nicht in Raum und Zeit. Alles Materielle ist ausgedehnt, räumlich und zeitlich. Wie kann dann etwas Mentales, wie ein Willensentschluss, eine physische Wirkung haben? Lässt sich eine Empfindung wie Schmerz auf neurophysiologische Prozesse reduzieren oder ist eine Empfindung mehr als solche Prozesse? Dies sind Fragen der Philosophie des Geistes, eines der wichtigsten Forschungsgebiete der Gegenwartsphilosophie. Der Grundkurs Philosophie IV stellt die wichtigsten Theorien der Gegenwartsphilosophie vor, die auf diese Fragen eine Antwort zu geben versuchen. Im Unterschied zu allen anderen Einführungsschriften zum Leib-Seele-Problem gibt diese Schrift darüber hinaus eine Antwort auf der Grundlage der aristotelisch-thomistischen Philosophie, die sich als echte Alternative sowohl zum Dualismus als auch zum Materialismus erweist.“

Deeplink zum Verlag editiones scholasticae

Eine Rezeption zum Hylemorphismus finden Sie unter dem Titel Causa finalis.

PH - 2017-01-09


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Dieser Artikel wurde erstmals veröffentlicht am 9. Januar 2017 auf www.intrinsis.de unter ../START.html/2017/01/09/formursache-als-ordnungsprinzip/

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