Pelagianismus

Über den Kern der Häresie des Pelagianismus und seine Überwindung

«Unsere Freiheit ist nicht so sehr das, was uns zu verwirklichen gelingt, denn dies hängt von Gott ab. Unsere Freiheit liegt vielmehr in der Wahrheit, mit der wir Gott bitten, in der Wahrheit, mit der wir Christus anbetteln. ( … ) Das wahre Problem der christlichen Heiligkeit ist nicht die Wahl eines Verhaltens, das wir in der Welt annehmen müssen, sondern die Anerkennung von etwas, das geschehen ist, das sich uns gegeben hat und das Tag für Tag unser Verhalten und unser Antlitz ändert. Unser Wert liegt in der objektiven Wirklichkeit dieses Geschehens, dem man anhängen und von dem man sich durchdringen lassen muß. Die entscheidende Wendung ist nicht ein Bauen auf sich selbst, sondern die Anlehnung an etwas, das „im Fleisch gekommen ist“. „Tut dies zu meinem Gedächtnis“.» [1]

«Das Gebet muss stets als ein Akt der Bitte und des Bettelns um die Gegenwart Christi verstanden werden; dasselbe gilt für die Liturgie und die Sakramente, insbesondere das Bußsakrament, das es dem Menschen erlaubt, immer wieder von Neuem anzufangen. Es reicht nicht aus, die zehn Gebote zu kennen, um nicht zu sündigen. Die richtige Haltung, die uns zugewiesen wird, ist die des Bettlers, dessen, der um die für das Leben notwendige Gnade bittet.» [2]

Der „Erfolg“ ist ungeschuldet, mithin reiner Gnadenerweis dessen, in dessen Händen alle Macht über Zeit und Ewigkeit liegt - das Zeugnis von S. E. Bischof Ketteler liefert hierzu einen überwältigenden Beweis [3]. Die Haltung des Bettlers, der auf die Gnade des Höchsten hofft, wird uns auch von den liturgischen Texten der Fastenzeit empfohlen: «Barmherziger Gott, du kennst unsere Schwachheit und unsere Not. Doch je hinfälliger wir sind, um so mächtiger ist deine Hilfe. Gib, daß wir das Geschenk deiner Erlösung freudig und dankbar annehmen und dein Wirken in unserem Leben bezeugen.» [4]

Man sollte sich die Heiligen anschauen und sich mit deren Lebensgeschichte auseinandersetzen. „Der Heilige ist kein Übermensch, er ist kein Mensch, dessen Ideal der Erfolg ist“ [2]: „Die wahre Haltung ist die Demut als intrinsische Motivation [5] des Christen, im Gegensatz zum Ideal des „Athleten“, der sich selbst überwindet. Ein solches Ideal vertrat der britische Mönch Pelagius; ein Ideal, das schließlich in Hochmut umschlägt. Pelagius lebte im fünften Jahrhundert und fand in Augustinus seinen schärfsten Widersacher. Tatsächlich ist die Gefahr des Pelagianismus äußerst aktuell.“ [2]

In der Häresie des Pelagianismus wird ein Aspekt der paulinischen Lehre zerstört, nämlich jene des Lebens in unserem Herrn Jesus Christus und im Heiligen Geist. Im Pelagianismus wird das Evangelium auf eine moralische und juridische Beziehung zwischen dem Menschen und Gott verkürzt, und sie besteht ausschliesslich in der Beachtung der göttlichen Gebote am Beispiel Christi mit der extrinsischen Motivation [5] auf ewige Belohnung. Im Pelagianismus gibt es keinen Platz für christliche Demut und Empathie für menschlichen Schwäche. Das Gebet mutiert zu einem Akt der Anbetung in Anerkennung des Schöpfers unter Betrachtung der Schrift mit dem Ziel, unsere Pflichten besser zu erfüllen um uns eigenmächtig den Himmel zu erobern. Es handelt sich nicht mehr um einen Akt der Bitte und des Flehens um Hilfe, denn ein solcher Beistand ist im Bewusstsein erfüllter Pflichten überflüssig, und so findet der Pelagianist Gott in sich selbst. Pelagius konnte daher nie das „da quod jubes“ - „Gib, was Du befiehlst!“ des heiligen Augustinus verstehen [6].

Wir aber sind für die Mission für Andere erwählt worden. Das, was uns gegeben wurde und ständig gegeben wird, ist für die Welt. Es ist uns gegeben, damit es in uns aufscheint und sich anderen mitteilt - nicht nach unseren eigenen Berechnungen, sondern wie Gott es will [7].

Der Kern der Häresie des Pelagianismus ist das Ideal des Erfolgs. Dagegen stellt sich das Zeugnis der Heiligen: „Das Ereignis ist, da ER wirkt!“ [8]

PH - 2019-12-27

[1] Msgr. Luigi Giussani

[2] „Das christliche Ereignis“, 30giorni/30TAGE Nr.9 1994, S.43-44, „Gedanken zu einigen neueren Schriften von Msgr. Luigi Giussani“

[3] Artikel „Gott der Herr in der Ewigkeit - Das Zeugnis von Bischof Ketteler“: Herr-ueber-die-Ewigkeit-Das-Zeugnis-von-Bischof-Ketteler-intrinsis.de.html

[4] „Oremus“, Liturgischer Text vom Freitag der vierten Woche der Fastenzeit

[5] Intrinsische Motivation - extrinsische Motivation: Intrinsische-Motivation-intrinsis.de.html

[6] vgl.: „La grazia del Christo“, Christian Baumgartner, Rom 1966, S. 74-75

[7] vgl.: Don Guissani, „Das rote Büchlein“, S.45

[8] Don Guissani, Titel von „Das rote Büchlein“


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Dieser Artikel wurde erstmals veröffentlicht am 27. Dezember 2019 auf www.intrinsis.de unter Pelagianismus-intrinsis.de.html

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