Causa finalis

Die vollständige Erklärung der Existenzursache alles Seienden ist möglich insoweit alle vier Ursachenebenen im Sinne des aristotelischen Thomismus vollständig in den Blick genommen werden.

Die einzelnen Disziplinen der Wissenschaften beschäftigten sich derzeit (2019) zumeist mit zwei Ursachenebenen, nämlich mit den materiellen Bestandteilen eines Gegenstandes (Materialursache) und mit ihrer Bearbeitung (Wirkursache). Diese unvollständige Ursachenbetrachtung ist mit dem Begriff Materialismus belegt. Insoweit nur ein Teil des Ursachenkomplexes in Forschung und Lehre ad absolutum gesetzt wird, handelt es sich um Ideologie. Was die Ideologie des Materialismus mit „Materie“ meint, wurde jedoch schon sehr früh, nämlich in ihren Grundlagen von Aristoteles und spätestens mit Thomas von Aquin vollständig als so genannte „Sekundärmaterie“ herausgefunden.

Materie im ursprünglichen Sinn ist noch gänzlich unbestimmt, zwar existierend, aber sozusagen in einer Warteposition auf eine Möglichkeit hin - somit ist sie „Materie in Potenz“.

Der Begriff Materie wird seit Aristoteles und auf ihn aufbauend von Thomas von Aquin in seiner Vollständigkeit in vier Ursachenebenen erkannt, was hier am Beispiel des Holztisches erläutert wird.

Die vier Ursachen anhand des Holztisches

1. Materialursache

Da der Tisch vollständig aus Holz besteht, ist Holz seine Materialursache. Wie jede andere Sekundärmaterie ist Holz wesentlich durch seine Potentialität bestimmt [1]: Holz hat zwar mehrere Potentialitäten, kann aber nur bestimmten Dingen als
Materialursache dienen, mit den ihrem Wesen nach jeweils bestimmten Zielursachen, z.B. Tischen, Stühlen, Möbeln, aber auch Papier, Karton u.s.f..  Dagegen ist Holz seiner Möglichkeit nach nicht dazu bestimmt zu einem Fell oder zu einem Stromkabel zu werden.

2. Formursache

Die Formursache eines Dinges, auch Formalursache genannt, ist das, was die verschiedenen Teile eines Gegenstandes zu einer ziel- bzw. zweckorientiert organisierten Einheit, mithin Ganzheit formt, was das Wesentliche ist: die Formursache bestimmt das Wesentliche, mithin die Substanz, mithin die substantielle Form, mithin das Wesen, mithin die Wesenheit eines Dinges.

Die bestimmte Anordnung der Bestandteile des Tisches, also die Tischplatte, die Tischbeine und die Verbindungsteile usw. machen das Wesen genau dieses bestimmten Tisches aus, d.h. erst durch die Form wird bewirkt, dass dieses Holz in seiner Zielursache als Tisch und nicht als Stuhl verwendet wird und, dass es genau dieser bestimmte Tisch ist, mit genau dieser seinem Wesen nach bestimmten Zielursache, zum Beispiel als Esstisch und nicht als Beistelltisch.

3. Wirkursache

Die Wirkursache des Tisches ist der Schreiner, betrifft also die Bearbeitung, denjenigen also, der den Tisch herstellt: er hat die Form des Tisches in seinem Geiste vorgebildet und wirkt im Hinblick auf die Zielursache auf die Formursache ein und im Hinblick auf die Formursache auf die Materialursache. Dass die Form im Geist des Schreiners vorgebildet ist, verweist gewissermaßen auf die Verschränkung zwischen Geist, Materie (materia prima) und Form.

Die Wirkursache muss immer von außen kommen, denn kein Tisch entsteht durch sich selbst oder durch zufälliges Zusammenfallen der Teile, sondern wird von außen, in diesem Fall durch den Schreiner, verursacht immer im Hinblick auf die Zielursache.

4. Zielursache

Die wichtigste Ursache und Voraussetzung für die anderen drei Ursachen ist die Zielursache, auch Final- oder Zweckursache genannt.

Erst aufgrund der Zielursache auf die hin der Tisch projektiert, mithin im Geiste vorgebildet ist, wird die Materialursache ausgewählt und die Formursache bestimmt, woraus sich die Wirkursache, also die Tätigkeit des Schreiners ergibt.

Ein Tisch, der als Zielursache die Verwendung als Schreibtisch besitzt, kann zwar die gleiche Materialursache haben wie ein Beistelltisch, aber er hat eine andere Formursache.

Ein Tisch, der als Zielursache die Verwendung als Ablage für schwere Gegenstände in einem Lager besitzt, kann sich von einem Esstisch in der Materialursache unterscheiden durch z.B. Metall anstatt Holz.

Auch die Höhe eines Arbeitstisches, als Formursache wird festgelegt im Hinblick auf die Zielursache, dass nämlich ein Mensch daran z.B. sitzend oder stehend arbeiten kann.

Hylemorphe Kreation - Das Bewusstsein als Verbindung zwischen Materie und Geist

Die Zielursache belegt die Verbindung zwischen Materie und Geist. Weder Materialursache noch Wirkursache existieren ohne Zielursache, d.h. Materialursache und Wirkursache sind immer auf ein bestimmtes Ziel hin ausgerichtet, auf das hin die Wirkursache vermittels der Formursache wirkt. Diese Gesetzmässigkeit gilt für alles Seiende.

Das Naturrecht - ius naturae

Die gewonnene Erkenntnis der Zielgerichtetheit allen Seins ist wiederum wesentlicher Bestandteil des Naturrechts [1] - ius naturae, weil „natura“, die Natur, aus ihrer Beobachtung logisch schlussfolgernd Zielgerichtetheit beinhalten muss. Zielgerichtetheit setzt einen Plan, also eine bewusste Vorstellung dessen, was erreicht werden soll, mithin Bewusstsein voraus.

Die Zweckursache kann in sich kein Bewusstsein besitzen, hat also kein Wissen um seinen Zweck: das menschliche Herz hat den Zweck, Blut in alle Teile des Körpers zu pumpen und zu diesem Zweck sind der anatomische Aufbau und die physiologischen Kausalprozesse des Herzens perfekt angemessen, ohne dass das Herz darum „weiß“. Die Medizin setzt die Kenntnis um die „Funktion“ des Herzens bei allen Untersuchungen und Therapien voraus.

Was aber wäre eine Funktion ohne Zweck, mithin Ziel, ohne causa finalis, und was wäre causa finalis ohne Bewusstsein?

Causa finalis

Das Ziel allen Seins, mithin „causa finalis“ lässt sich erschliessen im bewussten Blick auf einen Jemand hin, der alles Sein erst aus dem Geist ins Da-Sein ruft. Er ruft: „Ich bin da!“ Seine Schöpfung antwortet: „Danke!“

PH - 2019-07-23 - 2019-08-04 - 2019-08-13 - 2019-09-09 - 2020-01-13 - 2020-02-12

[1] „Naturrecht - ius naturae“, vgl. Artikel auf intrinsis.de „Rechtspositivismus vs. Naturrecht“ Rechtspositivismus-vs-Naturrecht-intrinsis.de.html


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Dieser Artikel wurde erstmals veröffentlicht am 04. November 2019 auf www.intrinsis.de unter ../START.html/2019/11/04/causa-finalis/

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