Eine Hälfte der Schuld

Zwei Brüder wohnten in Kellia (frühe Mönchsbehausungen). Der eine war schon alt und bat einmal den Jüngeren: „Laß uns miteinander hier bleiben, mein Bruder!“ Der aber antwortete: „Ich bin ein Sünder und darf nicht hier bleiben, mein Vater!“ Jener aber fuhr mit Bitten fort und sagte:“ Doch, wir können es!“ Jener Altvater war nämlich rein und wollte es nicht glauben, daß ein Mönch in seinem Herzen auf Unzucht sinnen könne. Da sagte der Bruder zu ihm: „Laß mich noch eine Woche, dann wollen wir weiter darüber reden.“ Der Altvater kam also wieder, und da der Jüngere ihn auf die Probe stellen wollte, sagte er: „Mein Vater in dieser Woche bin ich einer grossen Versuchung erlegen. Als ich wegen einer Dienstleistung ins Dorf ging, fiel ich mit einem Weib in Sünde.“ Da fragte ihn der Altvater: „Willst du Buße tun? Als der Bruder bejahte, sagte der Alte zu ihm: „Ich will für dich die Hälfte deiner Schuld auf mich nehmen!“ Da antwortete der Bruder: „Jetzt weiß ich, daß wir beisammenbleiben können.“ Und sie gingen nicht mehr auseinander bis zu ihrem Ende.

(Quelle: Apophtegmata Patrum - 990 - V, 17,14)

PH - 2016-08-22


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Dieser Artikel wurde erstmals veröffentlicht am 21. Oktober 2016 auf www.intrinsis.de unter ../START.html/2016/10/21/eine-haelfte-der-schuld/

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