Mediendialog ist Utopie

Viele Zeitgenossen halten es für Fakt, dass ein Dialog stattfände zwischen den uns umgebenden Massenmedien (TV, Radio, Zeitung) also den Sendern und uns, den Empfängern.

Mit seinem „Baukasten für die Theorie der Medien“ vertritt Hans Magnus Enzensberger zusammen mit Bertold Brecht mit seiner „Radiotheorie“ die These, dass seitens der Empfänger ein „emanzipatorischer Mediengebrauch“ möglich sei, etwa in dem Sinne, dass Sender und Empfänger stets wechselseitig getauscht würden. Demnach eigneten sich die Empfänger im Laufe der Zeit die Sender an und funktionierten sie in ihrem Sinne um. Ganz gleich wer auch immer einmal senden mag und was auch immer einmal gesendet würde, immer stünden auf der einen Seite die (künftigen) Sender und auf der anderen Seite die (künftigen) Empfänger.

Dagegen hält Jean Baudrillard das Machtgefälle zwischen Sender und Empfänger für unumkehrbar. Massenmediale Kommunikation sei „Nicht-Kommunikation“, also eine „Rede ohne Antwort“ - die Konsumenten würden mit einem Sperrfeuer an gefilterten Informationen zugeschüttet. Die Massenmedien seien also grundsätzlich monologischer Natur, wobei auch die Möglichkeit der Teilnahme in Form von Leserbriefen, Telefon-Hotlines, Abstimmungen, Umfragen usw. nichts an ihrem monologisch-propagandistischen Wesen ändere.

Es stehen sich also beide Deutungen unversöhnlich gegenüber.

Massenmedien sind grundsätzlich einer bestimmten Meinung verpflichtet und diese muss notwendiger Weise die Meinung des Eigentümers des Senders sein. Dies würde auch erklären, warum bzw. woran man „Massenmedien“ erkennt: in erster Linie an restriktiv eingeschränkten bis nicht vorhandenen Kommentarfunktionen und unveröffentlichten Umfrageergebnissen und an der Art der Auswahlverfahren zugelassener Claqueure bei Live-Mitschnitten (Talk-Shows, Unterhaltungs-Shows, etc.). Selbst die Aufforderung seitens der Massenmedien seine Meinung in seiner Eigenschaft als Empfänger doch bitte kundzutun wird spätestens am Wunsch nach Transparenz also Veröffentlichung sämtlicher Eingaben scheitern.

Meiner Meinung nach hat Jean Baudrillard seine Weltsicht in „Requiem für die Medien“ gut begründet mit dem Begriff des „symbolischen Tausches von Gabe und Gegengabe“, welche identisch mit der Macht sei, die nach Paul C. Martin der menschlichen Natur widerspräche. Er schreibt: „Die Macht gehört demjenigen, der zu geben vermag und dem nicht zurückgegeben werden kann.“ [1]

These:

Die Partizipation an den Informationen der Massenmedien dient…

1. …der Aufrechterhaltung einer von ihnen vorgegebenen Illusion, sofern der „Konsument“ diese unkritisch konsumiert und

2. dient sie dem kritischen Beobachter der Analyse des ideologischen State-Of-The-Art der Mainstream Medien, also als ideologischer Gradanzeiger. Erst an diesem Punkt vermag ich in der Ferne einen Anknüpfungspunkt an die o.g. Radiotheorie zu vermuten.

Fazit:

Es stellt sich uns in unserer bisherigen Eigenschaft als Konsumenten die Aufgabe umzukehren, mithin als Beobachter die Inhalte der Massenmedien in kritischer Distanz zu betrachten und sich zugleich in die inhaltliche Tiefe der Kommentare der Newsblogs und Backstreetnews zu begeben, dies selbstverständlich in nicht minder kritischer Distanz.

PH - 2016-10-30 - 2020-01-17 - j8xsfu3 - y7a73dk7


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Dieser Artikel wurde erstmals veröffentlicht am 10. April 2018 auf www.intrinsis.de unter ../START.html/2018/04/10/mediendialog-ist-utopie/

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