Rechtspositivismus vs. Naturrecht

Unter Rechtspositivismus versteht man die Auffassung, dass jegliches verfassungsmäßig zustande gekommene Recht keines überpositiven Rechtes zu seiner Legitimierung bedarf. Man nennt diesen Zustand auch „Willkür“, mithin Rechtswillkür, mithin Rechtsauslegungswillkür. Welche Folgen dies zeitigt, wird an einem Beispiel aufgezeigt:

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Der Begriff Naturrecht bezeichnet das überpositive Recht, welches für das universell gültige Recht steht. Das universell gültige Recht wiederum ist stringent aus der aristotelischen Philosophie [1] abgeleitet, theologisch zweifelsfrei durch die scholastische Methode des Thomas v. Aquin [2] analysiert und von Augustinus in seinem Werk de civitate dei [3] beschrieben.

Positives Recht steht hierarchisch unter dem Naturrecht und bezeichnet jedes Recht, welches sich intrinsisch auf das Naturrecht stützen kann. Jedes positive Recht ist begründetes Recht. Das Gegenteil des positiven Rechts ist Willkür (unbegründetes Recht).

Naturrecht - Definition

Das deutsche Wort Naturrecht kommt aus dem lateinischen Begriff „ius naturae“, welcher zusammengesetzt ist aus ius (Recht) und natura (Natur), wobei natura als motiviert existente Natur verstanden wird (zweckorientiert im Hinblick auf ein Ziel bewegte Natur) und nicht als aus sich heraus, unmotiviert existente Natur.

Der Begriff Naturrecht stellt die Kurzform dar für den Begriff „natürliches Recht“ - lateinisch „ius naturale“, gebildet aus ius und naturalis, was so viel heisst, wie „aus der Beobachtung der (bewegten) Schöpfung abgeleitetes Recht“.

Naturrecht - Zusammenfassung

Aus Beobachtung (der Vergangenheit) wird die Erkenntnis gewonnen, dass die Natur im Hinblick auf ein (zukünftiges) Ziel motiviert existiert und dabei einer bestimmten Ordnung folgt. Das Naturrecht verweist stets auf die ursprüngliche Ordnung und dient als Orientierungshilfe für das positive Recht (der Gegenwart).

Rechtspositivismus - Definition

Unter Rechtspositivismus versteht man die Auffassung, dass jegliches verfassungsmäßig zustande gekommene Recht keines überpositiven Rechtes zu seiner Legitimierung bedarf.

Rechtspositivismus - Ursache

Die historische Schule des Rechtspositivismus hat das Naturrecht weitgehend abgelöst in dem Konsens, dass einige Thesen Charles Darwins hinreichend beweisfähig seien um der Natur jegliche Zweckorientierung absprechen zu müssen, weshalb das früher geltende Naturrecht als obsolet zu betrachten und die gängige Rechtssprechung einem legislativen Konsens über aktuell notwendige Nützlichkeitserwägungen (Utilitarismus) [4] zu unterwerfen sei.

Rechtspositivismus - Konsequenzen am Beispiel Abtreibung

Das Selbstverständnis des Arztes unter Naturrecht drückt sich in der hippokratischen Eidesformel aus, die als Voraussetzung zur Ausübung des Arztberufes gültig ist:

„Ich schwöre, Apollon den Arzt und Asklepios und Hygieia und Panakeia und alle Götter und Göttinnen zu Zeugen anrufend, daß ich nach bestem Vermögen und Urteil diesen Eid und diese Verpflichtung erfüllen werde:

den, der mich diese Kunst lehrte, meinen Eltern gleich zu achten, mit ihm den Lebensunterhalt zu teilen und ihn, wenn er Not leidet, mitzuversorgen; seine Nachkommen meinen Brüdern gleichzustellen und, wenn sie es wünschen, sie diese Kunst zu lehren ohne Entgelt und ohne Vertrag; Ratschlag und Vorlesung und alle übrige Belehrung meinen und meines Lehrers Söhnen mitzuteilen, wie auch den Schülern, die nach ärztlichem Brauch durch den Vertrag gebunden und durch den Eid verpflichtet sind, sonst aber niemandem.

Meine Verordnungen werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und Urteil; ich werde sie bewahren vor Schaden und willkürlichem Unrecht.

Ich werde niemandem, auch nicht auf seine Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur dazu raten. Auch werde ich nie einer Frau ein Abtreibungsmittel geben. Heilig und rein werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren.

Auch werde ich den Blasenstein nicht operieren, sondern es denen überlassen, deren Gewerbe dies ist.

Welche Häuser ich betreten werde, ich will zu Nutz und Frommen der Kranken eintreten, mich enthalten jedes willkürlichen Unrechtes und jeder anderen Schädigung, auch aller Werke der Wollust an den Leibern von Frauen und Männern, Freien und Sklaven.

Was ich bei der Behandlung sehe oder höre oder auch außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, werde ich, soweit man es nicht ausplaudern darf, verschweigen und solches als ein Geheimnis betrachten.

Wenn ich nun diesen Eid erfülle und nicht verletze, möge mir im Leben und in der Kunst Erfolg zuteil werden und Ruhm bei allen Menschen bis in ewige Zeiten; wenn ich ihn übertrete und meineidig werde, das Gegenteil.“ [5]

So ist es einem Arzt unter Naturrecht unmöglich eine Abtreibung durchzuführen. Das Selbstverständnis des Arztes unter Rechtspositivismus degradiert ihn dagegen zum Erfüllungsgehilfen utilitaristischer Rechtssprechung, wie z. B. Abtreibungsrecht und aktiver Sterbehilfe. Nach dem Naturrecht wäre ein abtreibender Arzt ein gedungener Auftragsmörder [6], der lediglich unter dem zweifelhaften Schutz rechtspositivistischer Legislative einstweilen straffrei bliebe. Im Falle einer erfolgreich vollzogenen Abtreibung weitet sich aber der Täterkreis noch weiter aus, nämlich auf die Mutter als Auftraggeber zum Mord, auf den Staat, vertreten durch Legislative und Exekutive als Helfershelfer und auf die Financiers,) das sind diejenigen im Volk, die anteilig mit monatlichen Beiträgen z. B. in Form von Steuern oder durch monatliche Zahlungen an eine sogenannte „Krankenkasse“ die Ausführung von Abtreibungen mittelbar ermöglichen.

Zukunft des Rechtspositivismus

Mit einer Rechtsprechung unter Nützlichkeitserwägungen ohne hinreichende Berücksichtigung des überpositiven Rechts muss sich eine Staatsordnung in Willkür auflösen, da die Nützlichkeit einer Sache zunehmend vom Einfluss eines, durch militärische bzw. monetäre Präsenz immer noch einflussreicherer Potentaten bestimmt würde, welche nur deren unbedingten Selbsterhalt beabsichtigte, koste es, was es wolle. Diesen Zustand nennt man gemeinhin Faschismus [7].

PH

[1] Literatur zu Aristoteles‘ Naturrechtsphilosophie > https://www.editiones-scholasticae.de/?s=naturrecht

[2] Literatur zu Thomas v. Aquin > https://www.editiones-scholasticae.de/?s=thomas und bei „Studium Scholasticum“ > http://www.studium-scholasticum.org/

[3] Aurelius Augustinus, „de civitate dei“ auf „The Latin Library“> http://www.thelatinlibrary.com/august.html

[4] Utilitarismus bei Wikipedia > https://de.wikipedia.org/wiki/Utilitarismus

[5] Hippokratischer Eid (griechisch/deutsch) > Hippokratischer-Eid-intrinsis.de.html

[6] Dokumentation Deutsche Rechtssprechung, „Abtreibung ist Mord“ bei Liborius Wagner-Kreis > https://de.scribd.com/document/91514730/Abtreibung-ist-Mord-Dokumentation-Liborius-Wagner-Kreis

[7] Faschismus ist „Bündlertum allein um des Bündlertumes“ willen ohne Berücksichtigung der ursprünglich kommunizierten Lehre - daraus ergibt sich die intrinsische Basisdoktrin des Faschismus der „unbedingten Machterhaltung - koste es, was es wolle / jedes Mittel sei erlaubt“ | vgl. Artikel „Klerikalismus“ > Klerikalismus-intrinsis.de.html


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Dieser Artikel wurde erstmals veröffentlicht am 16. Februar 2017 auf www.intrinsis.de unter ../START.html/2017/02/16/rechtspositivismus-vs-naturrecht/

PH - 2017-01-09 - 2020-01-17 - 2020-01-20 - 2020-01-31

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