Ein Blick durch die Gitterstäbe

Ein Linguist deutete einmal die Sprache und ihre Form in der Grammatik sowohl als Freiheit raubendes als auch illusionsvermittelndes Moment, wenn er behauptet, dass jede Sprache ein Gitter sei, durch dessen Stäbe wir als Gefangene in ein illusionäres Draußen schauen würden [1].

Aber so ist es nicht. Das Wort des Senders ist zwar an den Willen des Empfängers gebunden, zu verstehen, aber viel mehr an die Fähigkeit des Senders das Wort dem Empfangsvermögen des Adressaten gemäss vermitteln zu können, d.h. der Sender verantwortet das Verstehen des Empfängers und was das Wort bei ihm auslöst.

Das Wort existiert durch es selbst und mit ihm und in ihm, per „se“, mithin „personal“ im Sinne des lateinischen Verbs „per-sonare“, d.h. das Wort, mithin Information, mithin Sprache findet nicht irgendwie nebulös, vage, unbestimmbar in einem Zwischenraum zwischen Sender und Empfänger statt, sondern es IST gewissermaßen Sender und Inhalt und Empfänger in einem trinitarischen und zielgerichtet bestimmten Sinn. Daraus ist abzuleiten,
1. dass Sprache kein „Gefängnisgitter“ ist, und
2. dass Sprache sehr viel mehr ist als nur ein Werkzeug, und
3. dass Sprache keine „Matrix“ sein kann, durch die hindurch etwas synthetisiert werden müsste, was vorher getrennt gewesen sei.

Die Frage ist, was Sprache ist.

Wir (in den verschiedenen Völkern in den jeweils zugeordneten Nationen) existieren nicht als einzelne, autonome, sich selbst genügende und „replizierende“ „Monaden“, sondern wir leben in einem analogen, trinitarischen Dreiklang zwischen Sender, Inhalt und Empfänger [2].

Darin unterscheiden sich die Räume, die Städte, die Züge und U-Bahnen der verschieden Völker und Nationen, nämlich in der analogen, qualitativ und quantitav differenzierbaren Kommunikationsdichte. Zum Vergleich kaufst Du Dir am besten je nach Vermögen Zugtickets nach New York, nach Paris, nach München, nach St. Petersburg, nach Haifa, nach Tokyo, nach Peking, nach Mombasa, nach New Delhi und eines nach Tatooine. Anschliessend magst Du eine ganz persönliche Wertung vornehmen, in welchem Zug Du am liebsten mitgefahren bist.

Was ist Sprache?

Sprache ist ein an die grammatische Form gebundener, analoger, dynamischer Informationsaustausch zwischen drei Personen: 1. Sender, 2. Empfänger und 3. der Informationsüberträger.

Nach Robert Spaemanns grammatischen Gottesbeweis existiert im Moment seiner Empfängnis das menschliche Wort nicht nur momentan real sondern in die Dauer real, und zwar zur selben Zeit und ewig im Hinblick auf alle, auf die Gemeinschaft aller Menschen, gleichgültig wo sie sich gerade befinden, d.h. die Regeln der Grammatik sind im Grunde universal plus alle Zeiten überdauernd, gleichzeitig und alle umfassend. Dass aber das Wort bereits in Gedanken existiert und real ist, davon zeugt das liturgische Bekenntnis unserer Verfehlungen wider die Rechte Gottes in „GEDANKEN, WORTEN UND WERKEN“ in unserer Eigenschaft als Glieder der Ecclesia vor dem Angesicht des trinitarischen Gottes, mithin unseres Herrn Jesus Christus, der uns zugleich Anwalt, Befreier und Erlöser ist.

Für Maschinen beziehungsweise deren „Sprache“ gilt dies nicht, denn sie haben weder einen Willen noch eine gute oder böse Absicht zu verstehen oder nicht zu verstehen. Maschinen müssen weder „befreit“ werden noch „arbeiten“ sie, denn sie funktionieren gesteuert terminiert in Abhängigkeit der ideologischen Grenze des Programmierers, die sich in seiner eigenen Maschinensprache ausdrückt auf den Ebenen von Software, Hardware und Network, d.h. es existiert keine Sprache zwischen Mensch und Maschine oder zwischen Maschine und Maschine, sondern nur Befehl und Ausführung.

Maschinenverknüpfung

Sofern sich alle Ideologen der Welt zusammenfänden um alle PetaFlops der Welt zur ultimativen Maschine im Sinne von KI, also von „Deep Thoughts“ Supercomputer zu verknüpfen, resultierte hieraus das von vorneherein gewünschte Ergebnis als ihr auf die ideologische Spitze getriebener Eigensinn. KI würde also nur ihr ultimatives Trotzwerkzeug wider das Naturrecht -ius naturae- sein. Man könnte diesen Sachverhalt auch satirisch ausdrücken: wer „per Anhalter“ quer „durch die Galaxis“ die ultimativ simple „Antwort auf Alles“ sucht, der erhält die Antwort [3], die er verdient, damit er endlich Ruhe gibt in seiner ganz persönlichen Klappsmühle. Allerdings hört der Spass auf, sobald man jene fiktionale (weil nicht visionäre) Antwort jener KI hinterleuchtet, denn hier stösst man auf Koinzidenzien zu aktuellen technokratischen Bestrebungen auf allen wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Gebieten und zu den vom willfährigen Demos mehr oder weniger freiwillig mitfinanzierten Industriezweige.

Was macht eine Maschine?

Eine Maschine will weder „befreit“ werden, noch „arbeitet“ sie, denn sie funktioniert gesteuert terminiert in Abhängigkeit von der ideologischen Grenze des Programmierers, d.h. sie ist gewissermassen verselbstzweckt als verlängerter Arm ihres Besitzers, so wie das Maschinenherz [4] einer Uhr einzig dem Selbstzweck dient, einen Zeiger immer im Kreis herum zu drehen, bis die Ursache der Bewegung weggenommen oder die Bewegung behindert wird.

Weil die Maschine nicht arbeitet, kann sie auch nicht besteuert werden. - Nebenbei bemerkt: Nichtbesteuerung zur Gewinnmaximierung ist der wichtigste Antrieb des Kapitalismus, weshalb er folgerichtig genauso zur Auflösung des Staates führt, wie der Kommunismus und seine Derivate, und insoweit hat der Staat seine Auflösung notwendig verdient, als er das Naturrecht -ius naturae- ignoriert. Das Naturrecht sind im Grunde die Rechte Gottes, die im Dekalog beschrieben sind. -

Keine Maschine „weiss“, worin der Unterschied zwischen gut und böse besteht aber die intrinsische Motivation des Erschaffers einer jeden Funktion ist entweder gut oder böse, denn noch vor der Funktion existiert der Gedanke über die Absicht.

„Steht“ die Maschine oder gibt sie keine Antwort, z.B. weil die Antwort zwingend logisch dem Ziel der Ideologie ihres Programmierers widerspräche oder weil die wahrheitsgemässe Antwort zur Aufdeckung krimineller Machenschaften ihres Erbauers führen würde [5], oder infolge eines Funktionsfehlers, oder weil sie unvollständig ist, dann ist ihre laut Bedienungsanleitung definierte Zielfunktion nicht mehr existent, nur ihre Form im Zustand als Reparaturbedarf oder Sondermüll stellt sich dem Auge des Beobachters dar.

Merke:
Eine KI-Maschine gibt immer die Antwort, die ihrem ideologisch vorgegebenen Programm entspricht.

Der Mensch existiert durch Kommunikation. Ein Mensch kommuniziert ständig mit anderen Menschen sogar dann, wenn er davon nicht den blassesten Hauch einer Ahnung hätte, denn der Mensch kommuniziert qua Existenz. Seine Gedanken und Nichtgedanken existieren ewig, ganz gleich in welchem Zustand er sich befindet und ob und wie er „spricht“: stumm, krank, euphorisch, trauernd, schreiend, lachend, weinend, röchelnd, schlafend, sterbend, geboren werdend, Dich anschauend [6].

Die Grammatik

In seinem Grammatischen Gottesbeweis hat Robert Spaemann die Eigenschaft und Eigenart der Grammatik dargelegt. Jenseits der reinen Information erlaubt die Grammatik den Blick auf die Realität, die aus Zwischenräumen besteht, aus Metaebenen, das ist die Transzendenz des Un-Sichtbaren in der Welt des Geistes. Nur mit Hilfe der Grammatik des Empfängers vermögen wir ein Wort zu vermitteln mit intrinsischen Absichten, z.B. als Warnungen aus der Vergangenheit [7], als etwas Glücklichmachendes, als Betriebsanleitung z.B. für kompliziert codierte Schliessfächer, oder als Hoffnung. Durch die Grammatik vollbringen wir das grosse Werk, der Ewigkeit Neues und Einzigartiges hinzuzufügen im Hinblick auf das grosse Ziel, die causa finalis, d.h. mit der nach hoffnungsvoll nach vorne oben [8] strebenden Absicht das ultimative Glück zu erreichen. Eine Maschine besitzt keine eigene Absicht, sondern sie ist programmiert mit der Absicht ihres menschlichen Erbauers.

Das Nichtwort als Kommunikationsform

Falls der Empfänger über keinen Wortschatz verfügt, den wir verstehen, dann sieht man aber doch in seinen Augen die flehentlich fordernde Bitte, dass er so schnell wie möglich über Wortschatz verfügen möchte: er will unbedingt das, was er benötigt, seinem Gegenüber vermitteln können, nämlich die Antwort auf die immer gültigen Fragen nach dem Woher, dem Wohin und dem Wer, und dem Was, und dem Wie und dem Wodurch. Darin besteht die von Beginn an verstandene Urgrammatik. Am deutlichsten erkennt man diese universale Urgrammatik in den Augen Neugeborener und in den Augen reiner Seelen, denn sie ist universal und alles umfassend.

Indem sie so schnell wie möglich „erwachsen“ werden wollen, zeigen Kinder ihren unbändigen Wissensdurst um die grossen Fragen endlich zu verstehen und ihr eigenes Leben und das Leben der anderen als unverwechselbare Antwort auf die Frage ihres Schöpfers in die Ewigkeit hinein mitgestalten zu können, d.h. immer im Hinblick auf den Nächsten und auf die causa finalis, denn darin besteht das Abenteuer Leben, das Gott mit uns wagt.

Die Erkenntnis

Die Grammatik erweist sich also als der frei gestaltbare Zwischenraum zwischen den Gitterstäben der Linguisten, durch die Du die im Starrsinn der Ideologie Gefangenen Deine Freiheit sehen und ersehnen lassen kannst, aber nur insoweit Du davon in Freiheit künden wolltest, denn mit den von Dir bewusst also mit Absicht gesetzten „Abständen“ der „Gitterstäbe“ kannst Du fördern, behindern, strafen oder belohnen, wen du willst. Leider wird diese Erkenntnis meist missdeutet und missbraucht um seinen Nächsten wegen niederer Absichten zu knechten, anstatt ihm die Leiter zu halten.

Die Wahrheit der Gazellen

Antoine de Saint Exupery überliefert uns zu diesem Umstand eine schöne Metapher aus der Beobachtung der Natur der Gazellen: „…kaum läßt du sie los, so wirst du gewahr, daß sie nach einem anscheinend glücklichen Galopp wieder zum Gitter zurückgekehrt sind. Und wenn du nicht eingreifst, bleiben sie dort. Sie versuchen nicht einmal gegen das Hindernis anzukämpfen, sondern drücken bloß mit gesenktem Nacken ihre kleinen Hörner dagegen, solange, bis sie sterben. Das, was sie suchen, Du weisst es, ist die Wahrheit der Gazellen…“ [9].

Wilde Gazellen sperrst Du ein, aber warum? Könnten sie Dich verletzen? Erinnern sie Dich zu sehr an Deine eigene Gefangenschaft? Warum aber könnten die von Dir Gefangenen Dich verletzen? Die Antwort liegt auf der Hand: weil Du ihr Kostbarstes nicht nur bedrohst, sondern weil Du es ihnen gestohlen hast… aber glaubst Du im Ernst, Du hättest ein bisschen mehr Freiheit, wenn Du sie anderen wegnimmst?

Die Angst ablegen

„Hunde“ wie „Schweine“ können Dich nur dann zerreissen, wenn Du sie gegen ihre Natur zwingst nach oben zu schauen [10]. Sie können gar nicht nach oben schauen, daher fehlt ihnen Zukunft. Gib ihnen also ein Fresschen, das ihnen gefällt, damit sie Ruhe geben, und nebenbei halten sie sich damit artgerecht, also fett und feist, stören sich nicht an ihrer Gefangenschaft und Dich nicht in Deiner Freiheit, d.h. sie blicken nicht durch, ich meine durch die „Gitterstäbe“.

PH - 2020-05-12

[1] „Jede Sprache ist ein Gitter, durch dessen Stäbe wir Gefangenen in ein illusionäres Draußen schauen…“, Helmuth Plessner in „Die Frage nach der Conditio humana“, Frankfurt /M., 1976, S. 114

[2] Trinität - Trinitaet-intrinsis.de.html

[3] YT-Video - „The Answer To The Ultimate Question“ aus „The Hitchhiker’s Guide To The Galaxy - BBC Version“ - https://www.youtube.com/watch?v=5ZLtcTZP2js | Backup .MP4

[4] Der Ziehbrunnen - Der-Ziehbrunnen-intrinsis.de.html

[5] Gemeint sind Alexa, Siri, Bixby und Konsorten

[6] vgl. „Leben und Tod aus Sicht der Physik“ - Leben-und-Tod-aus-Sicht-der-Physik-intrinsis.de.html

[7] YT-Video zum Wesen der Demokratie im Unterschied zur katholischen Freiheit: Spielfilm „Opfergang einer Nonne“ nach dem Historienroman von Gertrud von Le Fort „Die Letzte am Schafott“ - https://www.youtube.com/watch?v=lns3e3jrFes | Backup .MP4

[8] Das Geschenk Hoffnung - Das-Geschenk-Hoffnung-intrinsis.de.html

[9] Die Wahrheit der Gazellen - Die-Wahrheit-der-Gazellen-intrinsis.de.html

[10] „Gebt das Heilige nicht den Hunden“ - MT 7,6


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Dieser Artikel wurde veröffentlicht am 12. Mai 2020 auf www.intrinsis.de unter ../START.html/2020/05/05/ein-blick-durch-die-gitterstaebe/

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